Kleingebirge im Minicheck

21.07.2013 09:53

 

Landschaften tragen niemals negative Namen. Eine Anbaufläche für Weihnachtsbäume heißt Nadelwald, mikrobiologisch tote Felder, die nur noch mit Erdöldünger Pflanzen hervorbringen, firmieren als Kulturlandschaften, und optiklose Industriegebäude auf betonversiegeltem Grund schimpfen sich Gewerbepark. Da Flachland fern der Küste als unattraktiv gilt, werden selbst minimale tektonische Unebenheiten zu Gebirge verklärt. Gibt es nicht mal diese, schüttet man Hügel aus Wohlstandsmüll auf. Während die Niederlande darin die Rettung vor der Flutung durch den ansteigenden Meeresspiegel suchen, können die euphemistisch als „Mittelgebirge“ bezeichneten deutschen Kleingebirge immerhin argumentieren, dass ihre hauchfeinen Landfalten naturgemacht sind.

Als Margot M. aus Berchtesgaden durch die Eifel wanderte, vermochte sie keinen einzigen Berg auszumachen. Doch wegen der ihr stets die Aussicht verstellenden Hügel konnte Sie die komplette Abwesenheit von Bergen nie letztlich verifizieren. Da es trotzdem durchaus steil auf und ab ging, fühlten sich ihre Beine abends so schwer wie nach einer Tour in den Alpen an. Margot ärgerte es, denn sie fand Fußblasen nur gerechtfertigt, wenn sie der Preis für einen echten Gipfelsieg und nicht der für zehn sinnlos überquerte Waldbuckel waren. Hügelchen, so schlussfolgerte sie, taugen so wenig zum Wandern wie Regenpfützen zum Baden.

 

Kleingebirge im Minicheck

  • Kaum jemand weiß, dass das Erzgebirge weniger wegen seiner Ausdehnung nach oben, sondern wegen der nach unten (tiefster Schacht: 1200m) Gebirge heißt. Obenrum betrachtet ist die höchste Erhebung das sog. Keilberg-Fichtelberg-Massiv (Bruttohöhe 1243,7, Schartenhöhe 764m). Es handelt es sich insgesamt um ein Zwerggebirge, was sich jedem erschließt, der mal auf einem Weihnachtsmarkt die ungezählten Wichtel, Gnome, Kobolde und Trolle gesehen hat, die aus dem "Erzgebirge" verschleppt werden. Dennoch: Trotz seiner praktisch Berglosigkeit geriert sich die Landschaft meteorologisch wie ein Hochgebirge: Es schneit wie im Himalaya, und der Wetterbericht ist grundsätzlich nicht anwendbar (immer mindestens fünf Grad abziehen!).
     
  • Hunsrück: Höchste Erhebung und nur für den Kleingebirgskenner auszumachen ist mit einer Schartenhöhe von ganzen 140 Metern der Erbeskopf. Der Aufstieg dauert eineinhalb Stunden, so man nach jedem Schritt eine Pause einlegt. Die Aussicht entspricht der aufs Meer bei Windstärke 0,1.
     
  • Die Holsteinische Schweiz nennt sich immerhin nur "Hügelland". Dass man sich dennoch namentlich mit der Schweiz misst, wo man von Interlaken (500m über dem Meeresspiegel) den Gipfel der Jungfrau (4158m) sieht, liegt an den vielen Kühen. Denen sieht man freilich an, dass sie weder jemals Alpenheu gerochen, noch die Gemütlichkeit einer Bergalm erfahren haben.

 

Kinder vor einem Besteigungsversuch in den Seealpen.